Politisches Spektrum
Politische Parteien und Ideen werden häufig vereinfachend anhand der eindimensionalen Systematik des politischen Spektrums klassifiziert. Dabei werden sie auf einer Achse platziert, deren Enden mit den einprägsamen und in ihrer wörtlichen Bedeutung wertneutralen Attributen links und rechts bezeichnet werden, mit einer dazwischenliegenden Mitte oder dem Zentrum. Diese Sichtweise wird heute von den meisten politischen Parteien und auch von den meisten Medien angewandt, obwohl sie bei differenzierteren Betrachtungen – insbesondere bei politischen Randthemen – versagt und diese Unzulänglichkeit auch allgemein anerkannt wird.
Egalitär – Elitär
Ausgehend vom Gleichheitspostulat (Egalité) der französischen Revolution sind egalitäre politische Ansätze zentral für das Selbstverständnis der „Linken“. Diese richtete sich gegen Benachteiligungen bestimmter Bevölkerungsgruppen. Dies betraf zunächst die materiell schlechter gestellten Schichten (Arbeiterklasse), wurde später aber auch auf religiöse oder ethnische Minderheiten, Frauen, ältere Menschen, Behinderte, Homosexuelle und andere Bevölkerungsgruppen angewandt. Der Kampf für politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung galt den Linken als Teil eines fortschrittlichen Strebens nicht nur nach Gleichheit, sondern auch nach Freiheit. Daher ist der Begriff der Emanzipation als Bezeichnung für die Befreiung und Selbstbestimmung benachteiligter Gruppen für das Selbstverständnis linker Gruppen und Organisationen ein wichtiger Bezugspunkt.
Die „Rechte“ rechtfertigt die Notwendigkeit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Ungleichheit. Die Gründe dafür werden entweder in der Natur des Menschen (Begabung, Befähigung) gesehen oder die Ungleichheit wird auf gesellschaftliche Nützlichkeitserwägungen (Leistungsanreiz) zurückgeführt. In diesem Zusammenhang wird die Herausbildung von Eliten befürwortet, aus denen sich das Führungspersonal gesellschaftlich bedeutsamer (politischer, kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher) Einrichtungen rekrutiert. Dagegen gelten linke/egalitäre Konzepte als „Gleichmacherei“ und werden als Eingriffe in individuelle Freiheitsrechte und Entfaltungsmöglichkeiten oder in die hergebrachte Gesellschaftsordnung abgelehnt.
Im demokratischen Rechtsstaat steht nach erfolgter politischer Gleichberechtigung die Verteilung gesellschaftlichen Reichtums im Zentrum der Auseinandersetzung über egalitäre bzw. antiegalitäre Ansätze. Differenzierungen beim Verdienst (Primärverteilung) werden mit unterschiedlicher „Begabung“ und „Leistung“ des Individuums begründet. Die Frage nach einer „angemessenen“ einkommensabhängigen Steuerbelastung (Sekundärverteilung) ist ein bedeutenderer Streitpunkt in der politischen Auseinandersetzung, da die Besteuerung im unmittelbaren Zugriff der Gesetzgebung liegt.
Willkürliche Ungleichbehandlung (Diskriminierung) aufgrund von Sprache, Geschlecht, „Rasse“, Herkunft, Religion, politischer Anschauungen oder Behinderungen sind in demokratischen Rechtsstaaten geächtet. Umstritten ist jedoch, ob und in welchem Umfang der Staat Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen ergreifen soll und inwiefern der Staat Diskriminierung im gesellschaftlichen Bereich entgegentreten soll. Dabei wird zwischen Gleichstellung und Gleichbehandlung unterschieden. So werden von Teilen der heutigen Linken zur Durchsetzung gesellschaftlicher Gleichstellung Maßnahmen gerechtfertigt, die als Ungleichbehandlung im Sinne einer Besserstellung gesellschaftlich benachteiligter Gruppen konzipiert sind („umgekehrte Diskriminierung“).
Progressiv – Konservativ
In der Anfangszeit der westlichen Demokratien, insbesondere im 19. Jahrhundert, bemühten sich die Linken vor allem um die Verbesserung der Lebensbedingungen der unteren Schichten, insbesondere der Arbeiter, um die Durchsetzung der Menschenrechte und damit um eine kontinuierliche Erneuerung der Gesellschaft. Die Linke propagierte dies als gesellschaftlichen Fortschritt (Progressivität). Die Rechten traten hingegen für die Wahrung des Status quo in Bezug auf politische und ökonomische Verhältnisse ein und verwiesen auf „hergebrachte“ gesellschaftliche Normen, wodurch sie auch die Bezeichnung „konservativ“ („bewahrend“) erwarben.
Mehrere Entwicklungen erschweren heute die Einteilung nach den Begriffen konservativ/progressiv: In den westlichen Demokratien nach 1945 haben auch eher rechts stehende Parteien eigenständige programmatische Fortschrittskonzepte entwickelt und eine eigene Politik der technischen wie auch gesellschaftlichen Modernisierung vertreten. Unterdessen ist es innerhalb und zwischen Organisationen mit linkem Selbstverständnis äußerst umstritten, welche Auffassungen und Maßnahmen als „progressiv“ anzusehen sind. Zudem entwickelte sich die Ideologiefigur der „Verteidigung fortschrittlicher Errungenschaften“, die als eine linke Variante konservativer Denkansätze angesehen werden kann.
Internationalistisch – Nationalistisch
Der egalitären Grundidee entsprechend verfolgte die Linke lange Zeit einen internationalistischen Ansatz, begriff sich als weltweite Bewegung und organisierte sich international. Nach 1945 begriffen allerdings viele linke Gruppierungen ihre Aufgabe als „nationalen Befreiungskampf“ und stützten sich dabei auf antiimperialistische Ideologien. Zur Befriedigung patriotischer Emotionen in der Bevölkerung, zur Durchsetzung territorialer Machtansprüche oder als Ausdruck eines antiimperialistischen Weltbildes wurden auch von Regierungen mit linkem Selbstverständnis nationalistische Ansätze vertreten. Im Zusammenhang einer globalisierungskritischen Vorstellungswelt wird heute von Teilen der „Linken“ die Souveränität der Nationalstaaten als Voraussetzung für die Absicherungen sozialer Errungenschaften angesehen und gegen eine Internationalität des Kapitalismus gedanklich in Stellung gebracht.
Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts verfolgte das rechte Lager eine nationalistische Politik und vertritt eine entsprechende Ideologie noch heute. Zugleich versteht sich das „bürgerliche Lager“ in Westeuropa – inklusive der Liberalen – aber als treibende Kraft der wirtschaftlichen Globalisierung und verweist auf seinen Beitrag zur europäischen Einigung.
Zentralistisch – Separatistisch
Bei einigen Staaten mit starken Autonomie-Bewegungen, z. B. Spanien, gibt es sowohl im linken als auch rechten Teil des politischen Spektrums zentralistische und separatistische Parteien.
Patriotismus
Als Patriotismus wird eine emotionale Verbundenheit mit der eigenen Nation bezeichnet. Im Deutschen wird anstelle des Lehnwortes auch der Begriff „Vaterlandsliebe“ synonym verwendet.
Diese Bindung wird auch als Nationalgefühl oder Nationalstolz benannt und kann sich auf ganz verschiedene als Merkmale der eigenen Nation angesehene Aspekte beziehen, etwa ethnische, kulturelle, politische oder historische.
Im Unterschied zu einer historisch-kulturellen Bindung steht der Verfassungspatriotismus für das positive Bekenntnis zu den in einer staatlichen Verfassung verankerten übernationalen ethischen und politischen Grundrechten und Wertvorstellungen. Diese beziehen sich in der Tradition westlicher Rechtsstaaten auf die unveräußerliche Menschenwürde und davon abgeleitete Menschenrechte, für die universale Geltung beansprucht wird.
Patriotismus wird heute allgemein von Nationalismus und Chauvinismus unterschieden, insofern Patrioten sich mit dem eigenen Land und Volk identifizieren, ohne dieses über andere zu stellen und andere Völker implizit abzuwerten. Er bezieht sich auf die im staatsbürgerlichen Ethos wurzelnde, zugleich gefühlsbetonte, oft leidenschaftlich gesteigerte Hingabe an das überpersönliche staatliche Ganze, das in dieser Form nicht nur als rechtliche und politische Ordnung, sondern als die den einzelnen tragende Gemeinschaft empfunden wird. Inwieweit dieser Unterschied tatsächlich besteht und historisch wirksam wurde, ist in vielen Ländern umstritten. In Mitteleuropa hat sich der Patriotismus aus dem revolutionär verstandenen Liberalismus und Nationalismus des Bürgertums entwickelt, das gegen den Feudalismus einen demokratisch verfassten Nationalstaat anstrebte. Diese als Macht von unten aufgefasste Volksherrschaft hat sich seit der amerikanischen Revolution von 1776 und der Französischen Revolution von 1789 langfristig in den meisten europäischen Staaten als Verfassung und Selbstverständnis durchgesetzt, nachdem sie zunächst nur ein Thema intellektueller Eliten war und dann vielfachen historischen Rückschlägen unterlag. Heute ist Patriotismus als überwiegend positiv verstandener Begriff in der Bevölkerung der meisten Staaten verankert.
Radikalismus
Als Radikalismus bezeichnet man eine politische Einstellung, die grundlegende Veränderungen an einer herrschenden Gesellschaftsordnung anstrebt. Das Adjektiv „radikal“ ist vom lateinischen radix (Wurzel) abgeleitet und beschreibt das Bestreben, gesellschaftliche und politische Probleme „an der Wurzel“ anzugreifen und von dort aus möglichst umfassend, vollständig und nachhaltig zu lösen.
Der Begriff „Radikalismus“ stammt ursprünglich aus der liberalen Freiheits- und Demokratiebewegung des 19. Jahrhunderts und stand lange Zeit als politischer Richtungsbegriff für die bürgerliche Linke (das linksliberale politische Spektrum). Die radikalen Demokraten traten für das allgemeine Wahlrecht, eine konsequente Entmachtung der Kirche und die Republik als Staatsform ein. Besonders in romanischen Ländern steht die Bezeichnung auch heute noch für linksliberale und radikaldemokratische Parteien.
Vor allem im deutschen Sprachraum hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ein Bedeutungswandel vollzogen, sodass die Bezeichnung heute Strömungen jedweder politischen Couleur meinen kann, die ihre Ziele kompromisslos und häufig in Opposition zur herrschenden Ordnung verfolgen. In diesem Sinne spricht man etwa vom Links- oder Rechtsradikalismus.
Im Sprachgebrauch der Staatsschutzbehörden in der Bundesrepublik Deutschland wurde der bis dahin verwendete Begriff „Radikalismus“ seit 1975 endgültig durch den Begriff „Extremismus“ abgelöst. Bezeichnet werden damit äußerste Randpositionen im Verhältnis zur angenommenen Mitte des politischen Spektrums, die eine Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und in der Regel Gewaltbereitschaft einschließen.
Rechtsextremismus
Rechtsextremismus dient als Sammelbezeichnung, um neofaschistische, neonazistische oder ultra-nationalistische politische Ideologien und Aktivitäten zu beschreiben. Deren gemeinsamer Kern ist die Orientierung an der ethnischen Zugehörigkeit, die Infragestellung der rechtlichen Gleichheit der Menschen sowie ein antipluralistisches, antidemokratisches und autoritär geprägtes Gesellschaftsverständnis. Politischen Ausdruck findet dies in Bemühungen, den Nationalstaat zu einer autoritär geführten „Volksgemeinschaft“ umzugestalten. Der Begriff „Volk“ wird dabei rassistisch oder ethnopluralistisch gedeutet.
Da sich Rechtsextremisten in unterschiedlichen soziokulturellen Kontexten auf unterschiedliche Konzeptionen von Nation beziehen, unterscheidet sich die Definition des Rechtsextremismus in einzelnen Staaten. Dabei werden spezielle Symboliken verwendet, während die autoritäre Vergangenheit des Landes, aber auch die faschistische Vergangenheit Italiens oder die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands beschönigend dargestellt werden (Geschichtsrevisionismus). Rechtsextreme Argumentationen greifen dabei auch auf Verschwörungstheorien zurück, die antisemitische oder antiamerikanische Ressentiments transportieren. Bei organisierten Gewalttaten, die von Rechtsextremen verübt werden, spricht man von Rechtsterrorismus.
In Deutschland werden entsprechende rechtsextreme Bemühungen durch Instrumente einer streitbaren Demokratie auch strafrechtlich sanktioniert. In der Schweiz und in Österreich ist der Rechtsextremismus hingegen keine strafrechtlich zu verfolgende Position (→ Rechtsextremismus in Deutschland, Rechtsextremismus in Österreich, Rechtsextremismus in der Schweiz).
Rechtsextremismus ist eine Sammelbezeichnung für Ideologien, deren gemeinsamer Kern die Überbewertung der ethnischen Zugehörigkeit, die Infragestellung der Gleichheit aller Menschen sowie ein antipluralistisches und autoritär geprägtes Gesellschaftsverständnis ist. Die Verwendung von Verschwörungstheorien kann eine rationale Analyse gesellschaftlicher Missstände ersetzen. Dies dient sowohl der Entlastung als auch der Integration rechtsextremer Gruppen. Zudem werden Verschwörungstheorien herangezogen, um historische Anknüpfungspunkte an den Faschismus und Nationalsozialismus zu schaffen (→ Geschichtsrevisionismus). Häufig Verwendung findet die Behauptung einer „Verschwörung des Weltjudentums“ oder das Anknüpfen an verschwörungstheoretische Elemente des Antiamerikanismus.
Zu den strukturellen Merkmalen des Rechtsextremismus zählen Dogmatismus, Sendungsbewusstsein und ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken. Im politischen Stil lässt sich eine Gewaltlatenz und Gewaltakzeptanz erkennen, die ihren Ausdruck vor allem in verbalen Angriffen auf politische Gegner und Andersdenkende findet.
Extremismus
Als Extremismus bezeichnen Behörden in Deutschland seit etwa 1973 politische Einstellungen und Bestrebungen, die sie den äußersten Rändern des politischen Spektrums zuordnen. Der Begriff ersetzte an vielen Stellen den bis dahin gebräuchlichen Begriff ‚Radikalismus‘. Behörden verwenden ihn unter anderem, um Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) zu benennen.
Für den deutschen Verfassungsschutz hat der Begriff eine normative und abwertende Funktion.
Definition und Anwendung des in der Politikwissenschaft etablierten Begriffs sind umstritten. Besonders diskutiert wird, inwieweit er als Oberbegriff für Linksextremismus und Rechtsextremismus geeignet ist.
Die Attribute „extrem“ und „extremistisch“ sind vom lateinischen Wort extremus abgeleitet, dem Superlativ von „außen“ (exterus), laut Stowasser übersetzbar als „das Äußerste“, „das Entfernteste“ oder „das Ärgste“. Der Begriff geht von der Vorstellung eines „politischen Spektrums“ aus, das aus einer normativen Mitte und „Rändern“ („links außen“ und „rechts außen“) besteht. Eine „extreme“ Position wird demgemäß als Rand im Verhältnis zur angenommenen Mitte, zugleich als Minderheit im Verhältnis zur derzeitigen Mehrheit und als Gegensatz zu deren politischer Orientierung und zur herrschenden politischen Ordnung betrachtet. Damit wird diese Ordnung und die Mehrheitshaltung dazu zugleich als „normaler“, gültiger und zu schützender Zustand akzeptiert und bewertet. Als „extremistisch“ werden also jene Teile eines politischen Spektrums gekennzeichnet, von denen eine aktive Gefährdung der Grundwerte der zur Zeit herrschenden politischen Ordnung angenommen wird.
Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz definierte im Jahr 2000 Extremismus in Form einer definitio ex negativo als „fundamentale Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaats“. Darunter fallen für ihn alle Bestrebungen, die sich gegen den „Kernbestand“ des Grundgesetzes bzw. der FDGO insgesamt richten.